SF 004 – #OpaImKrieg – Die Suche nach der Geschichte des Uropas

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Philipp Janssen

Ob Historiker*in oder einfach nur an Geschichte interessierte Menschen, oft kommt man an den Punkt, die Frage zu stellen „Was hat Opa oder Ur-Opa eigentlich im Krieg gemacht?“ Was dann beginnt ist, das kann man schon verraten ein Puzzle. Ich habe mich selbst auf die Suche nach der Geschichte meines Ur-Opas gemacht und wurde dann von Freunden und der Familie gefragt, ob ich das auch für sie zu tun könnte. Florian Wittig hat das für seinen Uropa auch getan und so dachten wir uns, wir könnten von unseren Erfahrungen berichten.

Shownotes

Unser Weg zur Familiengeschichte
SF 003 – The Great War – Geschichte auf YouTube

#histocamp Session
histocamp.de
Sessionplan für Freitag, 22. November 2019
Tweets zum Hastag während der Session

Lektion 2: Fragen, fragen, fragen
Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall: „Opa war kein Nazi“ – Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt am Main 2002.

Lektion 3: Bilder identifizieren
Brian L. Davis: Uniformen und Abzeichen des Deutschen Heeres 1933-1945, Stuttgart 2001.

Die WASt
Deutsche Dienststelle (WASt)
Personenbezogene Unterlagen militärischer Herkunft bis 1945

Feldpostnummern
Lexikon der Wehrmacht
Für Feldpostnummern: Norbert Kannapin: Die deutsche Feldpostübersicht. Vollständiges Verzeichnis der Feldpostnummern in numerischer Folge und deren Aufschlüsselung, Osnabrück 1980

Militärgeschichte und Memoirliteratur
Albert Benary: Die Berliner Bären-Division. Geschichte der 257. Infanterie-Division 1939–1945, Bad Nauheim 1970.
Albert Benary

Retrospektive
Flo’s reddit Kurt Wittig
Fotoalbum von Flo

Akten als Quellen
germandocsinrussia.org
Marco Sigg: Der Unterführer als Feldherr im Taschenformat – Theorie und Praxis der Auftragstaktik im deutschen Heer 1869 bis 1945, Paderborn 2014.
Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg
Roman Töppels Guderian und die deutsche Panzerwaffe – Legende und Wirklichkeit
Jens Wehners Vortrag: Das sowjetische Panzerdesaster 1941

Zusammenfassung und Ausblick
Flo’s Twitter @flobota
Mein Twitter @ANNOpktpktpkt

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9 Gedanken zu „SF 004 – #OpaImKrieg – Die Suche nach der Geschichte des Uropas

  1. Moin,

    ich fand die Folge sehr spannend, da ich vor einiger Zeit auch ein wenig über meinen Großvater recherchiert habe.

    Mein Großvater starb 2004. Ich wusste als Kind immer, dass er im Krieg war. Das war auch sichtbar, da ihm drei Finger an einer Hand fehlten. Erzählt hat er nie viel. Als ich mal einen Modellbaukatalog von Revell dabei hatte, konnte er ein paar Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg identifizieren. Mehr war da aber nicht von seiner Seite. Irgendwo hatte ich dann mal aufgeschnappt, dass er als Gebirgsjäger in Finnland gewesen sein soll. Gefragt habe ich ihn aber nie (zur Einordnung: Ich war 20, als er starb).
    Nach seinem Tod dauerte es dann noch einmal vier Jahre, bis auch meine Großmutter starb und ich beim Ausräumen des Hauses auf ein paar Dokumente, Orden und andere Hinweise stieß, wodurch dann mein Interesse geweckt wurde.

    Neben dem SPD-Parteibuch fand sich eine Entlassungsbescheinigung, nach der er am 04.05.1945 als Unteroffizier aus der Genesungskompanie des Gebirgsjäger Ausbildungs- und Ersatzbataillons 6 entlassen und nach Hause geschickt wurde. Stutzig machte mich dann ein Anstecker des Traditionsverbandes der 6. Waffen-SS Gebirgsdivision „Nord“, der mit in der Schachtel lag. Scheinbar hatte er dorthin Kontakte bzw. an Traditionstreffen teilgenommen. Eine kurze Recherche – Lexikon der Wehrmacht – ergab, dass es gar kein Gebirgsjäger Ausbildungs- und Ersatzbataillon 6 gab, sondern dies das SS-Gebirgsjäger Ausbildungs- und Ersatzbataillon 6 gewesen sein muss. Große Überraschung: Opa in der (Waffen-)SS? Davon wusste keiner etwas. Eine WASt-Anfrage bestätigte das dann später auch zweifelsfrei. Interessant an der Stelle, dass er zum Kriegsende offensichtlich als angeblicher Wehrmachtsangehöriger (mit Wehrmachtsdienstgrad Unteroffizier) nach Hause geschickt wurde. Auch in einem Schreiben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit aus den siebziger Jahren (er stammte aus Oppeln/Schlesien, vor dem Krieg Polen, und landete nach dem Krieg in Bayern) zeigte er seinen Dienst in der Wehrmacht als Nachweis seiner deutschen Staatsangehörigkeit an.

    Seine Geschichte, wie sie sich im Laufe der Recherche ergab, kurz zusammengefasst: Er hatte sich wohl 1940 oder 41 als Siebzehn- oder Achtzehnjähriger zur SS gemeldet und war ab Juni 1941 in Finnland in der Vorläufereinheit der späteren 6. Waffen-SS Gebirgsdivision „Nord“. In dieser Division blieb er wohl den ganzen Krieg als Infanterist (im Nachlass fand ich neben anderen Orden das Infanteriesturmabzeichen und er war laut WASt in einem der Infanterieregimenter der Division). Bis 1944 war er in Finnland; nach dem Rückzug aus Finnland dann Ende 1944 an der Westfront im Elsass, wo er (da brechen die WASt-Daten ab) wohl in den Kämpfen um die Jahreswende 44/45 verwundet und über verschiedene Stationen nach Österreich gekommen sein muss. Dort erlebte er das Kriegsende. Er versuchte dann wohl in die Heimat nach Schlesien zu kommen, wo seine Familie lebte. Durch Tschechien versuchte er es wohlweislich nicht, sondern blieb auf der bayerischen Seite der Grenze. Meine Mutter erzählte mir dann die Familienlegende, dass er es wohl bis in die SBZ geschafft hätte, dort aber von den Sowjets aufgegriffen wurde (Mai oder Juni 1945). Irgendwie konnte er entkommen und es zurück nach Bayern schaffen. Dort lernte er meine Oma kennen, deren sämtliche Gleichaltrigen aus dem Dorf gefallen oder in Gefangenschaft waren (Meine Oma sammelte die Feldpostbriefe ihre Altersgenossen und dann die Sterbebilder/Todesanzeigen, die ich dann im Nachlass fand. Aber das ist eine andere Geschichte). Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Seine Mutter und sein Bruder blieben in Schlesien und wurden nach dem Krieg (wieder) polnisch. Wie aus einem anderen gefundenen Brief hervorging, erfuhren sie erst 1953, dass er überhaupt noch am Leben war.

    Weiter gingen meine Recherchen bisher nicht. Es gibt wohl im BA/MA noch Akten der Division, aber bisher konnte ich mich nicht durchringen, dort tatsächlich Recherche zu betreiben. Auch an Literatur existiert einiges über seine Division, aber wohl in sehr unterschiedlicher Qualität. Ein Werk habe ich mir mal beschafft, aber das war vom ehemaligen Kommandeur der Division verfasst; mit aller einhergehender Problematik.
    Da die Division aber im Elsass in für beide Seiten verlustreiche Kämpfe gegen die US-Army verwickelt war, existiert von der US-Seite tatsächlich auch einiges an Literatur über den damaligen Feind. Irgendwann werde ich mich mal da dran machen, aber man muss sich halt mal aufraffen.

    Das war meine Story. Viele Erfahrungen, die ihr in der Folge angesprochen habt, konnte ich wiedererkennen. Ist in jedem Fall ein sehr spannendes Thema.

    VG
    Peter

    • Hallo Peter,

      vielen Dank für deinen langen Kommentar. Spannend, was du berichtest. Selbst, wenn die Deutsche Dienststelle dir aber 44/45 nur noch wenig helfen kann, gibt es darüber tatsächlich allerhand Literatur. Mir fiel da direkt „Black Edelweiß“ von Johann Voss ein. Ist eine Autobiografie. Aber in jedem Fall eine spannende Quelle, um sich dem Thema zu nähern. Wie schon in der Folge gesagt, ist es ein Puzzle und mit viel lesen verbunden. 🙂

      Viele Grüße
      Philipp

      • Hallo Philipp,

        danke für den Tipp. Habe es mir direkt geholt. Vielleicht gibt es mir den Motivationsschub, die Forschungen nochmal weiter zu treiben. 🙂

        VG
        Peter

        • Entschuldigung, dass ich mich hier einklinke, werst recht noch verspätet. Habe den Weg hierher über das DPM gefunden.

          Da ich aus dem Saarland stamme, habe ich mich viel mit den militärischen Ereignissen hier beschäftigt, die Westwallbunker waren als Kind ja zu Mutters Schrecken der interessanteste Ort im Wald für mich bei Ausflügen.
          Jedenfalls kann ich, da ich mich mit den Operationen der „Nord“ eingehend beschäftigt habe, noch folgende Titel empfehlen:

          – „Black Edelweiss“ ist in der Tat lesenswert, das ist schon mal ein guter Anfang.
          – Dazu passend, auch wenn es sich lediglich um die Einsätze im Rahmen von Operation Nordwind bei Wingen-sur-Moder dreht, aus Sicht eines Offiziers: Wolf Zoepf: „Seven Days in January“.
          – Als Gegenstück zu diesem Werk, aus US Perspektive, ebenfalls fokussiert auf Wingen-sur-Moder: Wallace Cheves; „The Battle of Wingen-sur-Moder“
          (Cheves kommandierte das 2. Bataillon des 274. Inf.Rgts, 70. US Inf. Div. )

          Ebenfalls sehr empfehlenswert ist die Website der 70th Infantry Division Association, die in den Nordvogesen die „Nord“ als direkten Gegner hatte während der Operation Nordwind.
          https://www.trailblazersww2.org/

          Ein wahres Füllhorn an Informationen. Dort finden sich weitere Titel, welche die Kämpfe in den Vogesen und darüber hinaus behandeln.

          Die offizielle Divisionschronik „Kampf unter dem Nordlicht“ und der dazugehörige Bildband „Gebirgsjäger im Bild“ sind halt typische Vertreter dieser Art von Werken aus den 1960er Jahren.

          Was ich auch recht ordentlich fand:
          „In Final Defence of the Reich“ von Stephen M. Rusiecki. Da geht es zwar mehr um die endgültige Zerschlagung nach dem Scheitern von Nordwind, aber sehr detailliert und gut recherchiert. Das rundet die Büchersammlung zum Thema „Nord“ ab.

          • Moin,

            ich bedanke mich auch ganz herzlich für die Hinweise. Ein oder zwei der genannten Werke hatte ich schon im Auge, aber nicht alle. Da habe ich noch ein bisschen Lesestoff.

            „Black Edelweiss“ habe ich mittlerweile angefangen zu lesen. Sehr interessante Lektüre, auch wenn ich mich manchmal frage, wie authentisch die vom Autor aus der Erinnerung niedergeschriebenen, Jahre zurückliegenden Diskussionen tatsächlich sind. Trotzdem ein guter Einblick in die Gedankenwelt eines jugendlichen Freiwilligen. Mein Großvater ist im selben Alter eingetreten und hatte nach allem, was ich weiß, ebenfalls einen gymnasialen und bürgerlichen (Industriellen-)Hintergrund. Da zeigen sich schon Parallelen auf.

            VG
            Peter

  2. Gerne! Ich kann übrigens nur empfehlen, sofern möglich, die Gegend dort einmal zu besuchen. Elsass lohnt sich immer und die Wälder und Höhen um Wingen, Reipertswiller und Philippsbourg zeigen noch zahlreiche Spuren der Kämpfe.

    Da liegt dann auch mal ein Zusatztank einer P-47 mal einfach so rum, also zumindest die Überreste. Ich bin mir auch relativ sicher, dass ich die MG-Stellung von Voss lokalisiert habe, von der aus er die Aktion des amerikanischen Panzerkommandaten beobachtet hat.

  3. Wieder eine interessante Folge!

    Ich habe 2017 nach meinem Opa bei der DD-WASt recherchiert und bekam erst ein Schreiben, dass die Bearbeitung 18 Monate dauern würde. Dann bekam ich alledings nach 6 Monaten einen ausführlichen Brief mit 28 Seiten an Kopien.

    Und zuhause gab es noch ein Fotoalbum mit mindestens 50 Fotos, wo mein akribischer Opa teilweise die Orte in der Sowjetunion dazugeschrieben hatte. Und Papiere, aus denen hervorgeht, dass er bis November 1948 in Jugoslawien in Gefangenschaft war.

    Also eine ganze Menge Material, das ich mal gerne in Struktur bringen würde. Mir geht es eigentlich weniger um den Opa, weil ich nicht vermute, dass da irgendwas Besonderes auftaucht. Aber als Osteuropa-Fan würde ich gerne mal die ganzen Orte, die bekannt werden, abreisen und sehen, wie sich die verändert haben, wie die Gedenkpolitik dort jeweils ist, was in Museen gezeigt und auf Monumenten gedacht wird. Insbesondere weil ich selbst schon ein paar Jahre in Osteuropa gelebt habe, finde ich es faszinierend, wieviel sich innerhalb von zwei Generationen geändert hat.

    Tja, das ist die Idee für ein großes Recherche-, Reise- und Schreibprojekt.
    Aber zuerst steht noch eine andere familiengeschichtliche Recherche an, weil ich vor kurzem erfahren habe, dass meine Urgroßeltern einen sowjetischen Zwangsarbeiter beschäftigt hatten: https://andreas-moser.blog/2019/11/28/zwangsarbeiter/

    So viel zu tun, so wenig Zeit… Da hofft man fast auf eine lange Pandemie.

  4. Ach, und zu der Geschichte aus Bender wollte ich nur ganz haarspalterisch sagen, dass es in Transnistrien liegt, nicht mehr in Moldawien (zumindest faktisch, auch wenn Moldawien Anderweitiges behauptet).
    Und ja, es ist wirklich eine ganz nette und entspannte Stadt, vor allem im Sommer.

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